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SLOTCAR HISTORY 1966 |
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Das Rennfieber geht um die Welt:
Grand Prix im Kleinformat
Nr. 5 – Meyer auf Porsche 904 – liegt in Führung. Eben hat er in der Südkurve die Nr. 1 zum erstenmal überrundet. Mit Vollgas braust er die Gerade hinunter, bremst kurz ab, bevor er die gefährliche Steilwand der Nordschleife angeht. Kein Zweifel: Nr. 5 fährt auf Sicherheit. Er hat den Sieg schon in der Tasche. Jetzt ist er in der Steilwand und ... hinausgeflogen. Nr. 5 ist draußen, ist draußen ... ! Die Stimme des Reporters überschlägt sich beinahe, und man könnte meinen, die Weltmeisterschaft der Formel-1-Wagen stünde auf dem Spiel. Begeistert folgen die Zuschauer dem Rennen. Ort der Handlung ist aber keine der berühmten Rennstrecken, sondern ein kleiner Saal in Köln. Die „Rennfahrer“ stehen oder sitzen am Rande der Piste und steuern mit kleinen Trafos die dahinflitzenden „Slot-Cars“. Die Stimmung des Publikums aber könnte bei einem Grand-Prix-Rennen im Kampf um den Sieg nicht prickelnder sein.
„Slot Car Racing“ (Schlitzwagen-Rennen), ein aus England stammender, über die USA nach Deutschland exportierter Sport mit kleinen Modellrennwagen, begeistert die Massen. Seit wenigen Monaten sind diese naturgetreu nachgebauten, individuell steuerbaren Modellrennwagen in allen Modell- und Spielwarengeschäften unseres Landes Gesprächsthema Nr. 1. Klubs werden gegründet, und in den Städten entstehen öffentliche Rennbahnen, wo jedermann gegen eine kleine Gebühr „Rennfahrer“ spielen kann. Das Publikum hat viel Spaß an der Sache, und die Hersteller wittern – nach den Erfolgen in den USA – das große Geschäft!
Im vergangenen Jahr wurden allein in den USA elektrische Modellautos im Werte von über 150 Millionen Dollar verkauft. Die Strombecker Corporation in Chikago, eine der großen Spielwarenfirmen, hat inzwischen gemeinsam mit der Firma Vullierme in Rumilly (Haute-Savoie, Frankreich) die Produktion elektrischer Modellautos für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft aufgenommen. Offensichtlich ist „Slot Car Racing“ also ein Phänomen, das Europa erobern soll.
Was kostet der Spaß? – In den USA stellen ein halbes Dutzend Firmen Anlagen mit einer Rennbahn, zwei Wagen und elektrischem Zubehör für Rund 20 Dollar her. Wer 10 Dollar mehr ausgeben will, hat bereits die Wahl zwischen 40 verschiedenen Rennstrecken, ebenfalls mit Autos und Zubehör. Bei uns liegen die Preise für Rennwagen zwischen 20 und 60 Mark. Eine komplette Rennbahn für den Heimgebrauch (etwa 2 m zweispurige Bahn, zwei Modelle und zwei Trafos) kostet rund 150 Mark. Viele Rennenthusiasten kommen über diese erste (Spielzeug-) Etappe nie hinaus, was ihrer Begeisterung indessen keinen Abbruch tut. Sie stecken die Rennbahnteile ineinander, wie Modelleisenbahner das mit ihren Schienen tun, bauen sich eine Art Achterbahn für zwei Rennautos, setzen das Ganze auf eine Sperrholzplatte, stellen sich an der Startlinie auf, und das Duell beginnt. Das ist die eine Version des Modellautorennens. Sie wird in der Wohnung, in der Garage, jedenfalls aber privat gepflegt. Wo etwas mehr Platz ist, baut man auch größere Rennbahnen – für drei, vier, sechs oder sogar acht Wagen.
Der Slot (Schlitz in der Rennbahn, der den elektrischen Kontakt führt) verlieh dem „Slot Car Racing“ seinen Namen. Seine große Beliebtheit verdankt es den öffentlichen Modellrennen in gedeckten Hallen, von denen es allein in Chikago über 60 und in den ganzen USA wenigstens 2000 gibt. Eine komplett eingerichtete Halle kostet zwischen 15000 und 40000 Dollar. Die Rennstrecken sind bis zu 80 Meter lang. Zuschauer zahlen 50 Cent bis 1 Dollar Eintritt, Teilnehmer pro Person wenigstens 1 Dollar pro Stunde. Sie können zum Rennen ihr eigenes Auto mitbringen, können sich aber auch (ebenfalls für etwa 1 Dollar) ein Auto mieten. Auch in Deutschland werden zur Zeit in mehreren Städten (Aachen, Düsseldorf, Dortmund, Köln-Kalk, Berlin, Pirmasens, München, Stuttgart, Hannover und Bonn) bereits öffentliche Anlagen nach amerikanischem Muster errichtet. Außerdem gibt es, neben diesen nach kommerziellen Gesichtspunkten geleiteten Bahnen, schon eine Reihe von Klubbahnen, die nur Mitgliedern offenstehen.
Ebenso wie in den USA gibt es auch hierzulande bereits eine Dachorganisation, den MRvD (Modell-Rennclub von Deutschland e. V.), in dem die einzelnen Slot-Car-Racing-Clubs zusammengeschlossen sind. Nach Auskunft eines der Initiatoren, Herrn Neumann aus Köln, ist beabsichtigt, Ende dieses Jahres eine mit insgesamt 50000 bis 60000 Mark dotierte Deutsche Meisterschaft auszurichten, wobei ein „ausgewachsenes Auto“ als erster Preis vergeben werden soll.
hobby besuchte eine der ersten öffentlichen Slot-Car-Racing-Bahnen in Deutschland. Sie steht seit Anfang Dezember 1965 in Köln und kann zwischen 12 und 24 Uhr von jedermann (Alter über 16 Jahren vorausgesetzt) benützt werden. Das Startgeld für eine Stunde beträgt vier Mark, die Wagenmiete zwei Mark. Die 25 m lange Piste besitzt acht Fahrspuren von genau gleicher Länge und erfreut sich eines sehr regen Besuchs. Außerdem werden im Kölner Klub Abend für Abend Klubrennen gefahren, wobei nach Grand-Prix-Reglement gewertet wird. Ein Rennen geht über vier mal zehn Minuten, und in den Pausen werden die Bahnen gewechselt. Wer in den vier Läufen die meisten Runden gefahren hat, ist Sieger.
Zur Zeit gibt es vier Wettbewerbs-Klassen, die den amerikanischen Rennklassen entsprechen:
Klasse 250 GT. Die Wagen dieser Kategorie sind die schnellsten und zugleich teuersten Slot Car Racer. Es handelt sich meist um amerikanische Fahrzeuge mit „frisierten“ Gleichstrom-Miniaturmotoren. Damit werden auf den Geraden Geschwindigkeiten bis zu 20 km/h erzielt. Der Preis für einen solchen Super-Renner liegt bei 50 bis 60 Mark. Meist werden solche Wagen als Bausätze (Kits) geliefert.
Formel-Rennwagen. Diese Wagen haben schwächere Motoren als die GT´s und tragen Monoposto-Karosserien. Die Preise dieser Typen liegen im allgemeinen zwischen 25 und 40 Mark.
Stock-Cars. Sie unterliegen keinerlei Vorschriften bezüglich ihres Antriebs und besitzen amerikanische Tourenwagen-Karosserien.
GT-Normal. Die Fahrzeuge dieser Klasse sind Grand-Turismo-Wagen, wie die Renner der 250-GT-Klasse. Sie sind jedoch mit weniger „heißen“ Motoren ausgerüstet. Für einen solchen Wagen muß man etwa 20 bis 30 Mark anlegen. Eine weitere „offene“ Klasse ohne Beschränkungen hinsichtlich Motor und Karosserie soll eventuell noch hinzukommen.
Am elektrischen Antriebs- und Regulierungsmechanismus der Wagen – in Kreisen der Modell-Rennfahrer „power pack“ genannt – sind nur wenige Änderungen möglich. Dagegen läßt sich mit dem Modellauto selbst, vor allem mit den größeren Modellen im Maßstab 1:32 und 1:24, schon manches anfangen. Da gibt es beispielsweise Kniffe, wie man den winzigen Gleichstrommotor erschütterungsfrei auf Hochtouren bringt und wie man die Wirkung des Polwenders, der die Stromrichtung umkehrt und damit den Motor zur Bremse macht, durch eine Schlinge um die Vorderachse ergänzt, so daß man auf einmal eine Vierradbremse hat.
Die schnellsten Rennwagen kommen aus Amerika und werden von den Firmen K & B und Cox hergestellt. Mit einer maximalen Leistungsaufnahme von 2,7 Ampere unter Vollast verfügen sie über eine enorme Beschleunigung. Weitere sehr schnelle Wagen sind die amerikanischen Strombecker-cars sowie die Flitzer von Revell und Monogram. Da diese US-racers meist als Bausatz geliefert werden, kann ein geschickter Bastler ohne weiteres die eine oder andere Verbesserung anbringen oder vielleicht auch zwei Bausätze verschiedener Firmen kombinieren. Besonders beliebt sind die superleichten, aber dennoch robusten Fahrgestelle der Firma Cox, die mit höchster Präzision aus Magnesium gegossen sind. Nicht selten wird ein solches Cox-Chassis zurechtgestutzt und mit einer Karosserie von Revell oder Aurora versehen.
Bevorzugt werden momentan die Triebwerke von Cox, K & B, Pittman, Monogram, Revell und der deutsche Marx-Lüders-Motor. Auf einem engen Serpentinenkurs oder einer schwierigen Kurvenstrecke sind hohe Drehzahlen nicht immer das beste Erfolgsrezept. Oft kommt man auf einer solchen Strecke mit einem niedrig drehenden Motor schneller zum Ziel. Da sich bei vielen Wagen auch die Übersetzung variieren läßt, kann man natürlich einen superschnellen Motor der Strecke anpassen, in dem man für Kurse mit schnellen Geraden eine hohe Übersetzung wählt. Bei einem kurvenreichen Kurs wiederum läßt sich das Anzugsvermögen des Wagens durch eine niedrige Übersetzung vergrößern.
Der beste Motor hilft jedoch nicht viel, wenn der Fahrer sein Rennmodell nicht richtig zu steuern vermag. Dies ist in erster Linie eine Reifenfrage. Daher verfügt die Box eines echten Modellrennfahrers über ein umfangreiches Reifensortiment, aus dem er – je nach Beschaffenheit der Piste – den Reifen aussucht, der die besten Resultate verspricht. Was für einen Grand-Prix-Fahrer ein Dunlop-Reifen oder für den Gran-Turismo-Piloten ein Goodyear-Pneu bedeutet, sind für den Miniaturrenner die Reifen von MRRC, K & B, Cox und seit kurzem auch von Veco. Selbstverständlich gehören zu Superreifen auch ausgewuchtete Felgen und leichtlaufende, wartungsarme Nylonlager, die einen runden und reibungslosen Lauf des Triebwerks garantieren.
Für Erfolg oder Mißerfolg eines Mini-Racers ist nicht zuletzt auch die Straßenlage ausschlaggebend. Die Hersteller geben sich redlich Mühe, die Fahreigenschaften ihrer Wagen durch kleine technische Raffinessen zu erhöhen. Lenkbare Vorderachsen oder eine Vierradfederung (an der sich gerade eine französische Firma versucht) sollen dafür sorgen, daß die kleinen Renner über die Piste sausen, ohne auszubrechen. Ein möglichst niedriger Schwerpunkt verringert das Kippmoment beträchtlich. Hier kann man notfalls mit Bleigewichten nachhelfen, doch darf man nicht vergessen, daß das höhere Fahrgewicht die Spitzengeschwindigkeit und das Beschleunigungsvermögen beeinträchtigt.
Die kleinen Slot Cars driften entweder sauber im Powerslide durch die Kurven – oder fliegen in hohem Bogen aus der Bahn. Konzentriertes und wohldosiertes „Gasgeben“ bewirkt, daß das Heck des Wagens bereits am Kurveneingang leicht nach außen wegwischt und das Modell so schnell wie möglich durch die Kurve kommt. Je nach Bahnbeschaffenheit, Kurvenradius, Motor und Aufbau verträgt so ein Fahrzeug in der Kurve mehr oder weniger „Gas“.
Nicht zuletzt ist die richtige Wahl des Handreglers für ein erfolgreiches Abschneiden im Rennen ausschlaggebend. Englische und amerikanische Typen (MRRC und Veco) verfügen sogar über eine automatische und gut funktionierende Bremse, die es erlaubt, auf der Geraden das Gas länger stehenzulassen und erst kurz vor der Kurve abzubremsen, wodurch schnellere Rundenzeiten erzielt werden. Ein Regler mit Bremse unterbricht beim Durchdrücken des Hebels entweder den Stromkreis oder führt einen zeitweiligen Kurzschluß herbei, so daß der Wagen über den Motor abgebremst wird. Einige Spezialisten rüsten ihren Regler auch mit einem Mikroschalter aus. Er läßt beim Durchdrücken des Reglerknopfes einen entgegengesetzt gerichteten Strom einer kleinen Batterie durch die Schienen fließen, der den Anker noch stärker abbremst oder den Motor kurzzeitig zum Rückwärtslaufen bringt.
Das Zubehör der Modellrennbahnen ist ebenso reichhaltig wie das Angebot an Bahnen und Wagen. Technisch interessant sind automatische Rundenzähler, die entweder rein mechanisch oder mechanisch-elektronisch arbeiten. Letztere sind zwar wesentlich teurer, beeinträchtigen aber nicht die Fahreigenschaften der Wagen an der Meßstelle und ermöglichen es vor allem, Rennen über mehrere hundert Runden zu verfolgen.
Die Aussichten für den Siegeszug eines originellen und spannenden Modellsports sind vielversprechend. Bleibt zu hoffen, daß eine möglicherweise im Gefolge des großen Geschäfts aufkommende Gewinnsucht nicht das , was als nettes Spiel begann, zum bitteren Ernst – oder eindeutiger: zu einer kommerziellen Masche verunstalten möge. H. Erich / O. Geretla
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